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Rainer Stadelmann,

Die ägyptischen Pyramiden.
Vom Ziegelbau zum Weltwunder. 
Geb. Ausgabe, 323 Seiten, Philipp von Zabern, Mainz 1997
ISBN: 3805311427 
ca. 40 Euro

Autor:

Prof. Dr. Rainer Stadelmann, geboren 1933, studierte Ägyptologie, Altorientalistik und Archäologie (Palästina/Syrien) in München. 1955/56 nahm er als Student an 
der ersten deutschen Ausgrabung  nach dem 2. Weltkrieg in Ägypten teil (Abusir - Sonnenheiligtum des Userkaf). 1960 promovierte Rainer Stadelmann in Heidelberg über das Thema "Syrisch-Palästinensische Gottheiten in Ägypten". Bis 1967 war er anschließend wissenschaftlicher Assistent an der Universität Heidelberg. Nach seiner Habilitation ging er 1968 als Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo nach Ägypten. Im Zuge seiner jahrelangen Arbeit betreute er u. a. die Grabungen des Instituts in Elephantine, Theben und Dahschur. 

Rainer Stadelmann hat sich wie kaum ein anderer mit den berühmten Wahrzeichen des alten Ägypten, den Pyramiden, beschäftigt. Sein ausgewiesenes Spezialgebiet ist dabei die baugeschichtliche Forschung.


Inhalt:

Allein der Titel des Buches zieht den geneigten Leser nahezu magisch an! Denn wer kann sich schon der Fazination der ägyptischen Pyramiden entziehen? Bereits seit Jahrhunderten beschäftigen sich Menschen mit der Funktion, dem Bau und den Mysterien dieser monumentalen Grabbauten. Schon die antiken Quellen (Herodot) berichten von staunenden griechischen Reisenden und Gelehrten, die fassungslos vor den steinernen Überresten pharaonischer Selbstdarstellung standen. Trotz fortschreitender Forschung geht es uns heute nicht anders.

Bücher, die sich (in welcher Form auch immer) mit den Pyramiden auseinandersetzen, gibt es wie Sand in der Sahara. Kaum ein anderes Thema der altägyptischen Kultur bietet so viel Zündstoff. Ägyptologen streiten untereinander um Details; interessierte Laien streiten untereinander um ihre jeweils eigenen Deutungen; Wissenschaftler streiten mit Laien über oft haarsträubende Theorien. Nicht zu vergessen, daß kein anderes Thema so viele selbsternannte Parapsychologen, Astrologen, "Ufologen" u. a. zur Tat schreiten läßt. Den Fachleuten wird oft eine gewisse Intoleranz vorgeworfen, mit der sie Argumente von Laien außerhalb der Universitäten als indiskutabel zu Boden schmettern. Laien - meist sehr interessiert, engagiert und belesen  - verfügen oft über großes Einzelwissen, neigen im Gegenzug aber häufig dazu, nur einen kleinen Teil der ägyptischen Kultur zu betrachten und dann daraus voreilige Schlüsse zu ziehen. Niemand - ob Fachmann oder Laie - kann ohne die Gesamtkenntniss der geschichtlichen, sprachlichen und religiösen Komponenten ein ägyptisches Bauwerk deuten.

Und diese Tatsache greift Rainer Stadelmann mit seinem aktuellen Forschungsüberblick zu den Pyramiden auf. Sachlich, verständlich und kompetent beginnt er, die Baugeschichte der ägyptischen Grabdenkmäler von Anfang an zu beleuchten. Ausgehend von den Grubengräbern der Vordynastischen Zeit (um 3000 v. Chr.) über die großen, nischenverzierten Mastabas der 1. und 2. Dynastie (bis ca. 2700 v. Chr.) bis hin zur Form der Stufenpyramide in der 3. Dynastie (bis 2630 v. Chr.) folgt Stadelmann akribisch dem roten Faden, der sich durch die ägyptische Baugeschichte schlängelt. Zu jedem besprochenen Grab werden Vergleichsgrundrisse geliefert, die dem Leser das Verständniss des Textes erleichtern. 

Die ausführliche Darstellung der Stufenpyramiden leitet dann in die bauliche Entwicklung der "eigentlichen" Pyramiden der 4. Dynastie (ca. 2630-2475 v. Chr.) über. Kein Platz in den Kultanlagen dieser Zeit bleibt unbesprochen. Einmessung und Bauweise, Taltempel und Kultanlagen, Planung der Kammersysteme, Totenkult und Königinnenpyramiden - alle Punkte sind in ihre zeitliche Entwicklung eingebettet. Die Architektur dieser Zeit war stark vom religiösen Denken und Leben der Menschen abhängig. In einem Extrakapitel zum Königtum des Re (Sonnengott - Kult - Sonnenheiligtümer) erläutert Stadelmann  diese notwendige Abhängigkeit und ihre Folgen für die Architektur. Ein weiterer religiöser Exkurs dringt in die Tiefen des Priesterkultes dieser Zeit vor. Welcher Raum in den Pyramidenanlagen diente welchem kultischen Zweck? Wie sah der Priesterdienst aus und welchen Hierarchien war er unterworfen?

Die abschließenden Kapitel  zum Pyramidenbau, zur Pyramidenmystik und der Schatzsuche lege ich besonders den Verfechtern außerirdischer Einflüsse ans Herz. Und zwar mit der Bitte um ernsthaftes Lesen. Intoleranz (s. o.) ist ein zweischneidiges Schwert oder sollte ich besser "beidseitig" sagen?

Auch in diesem Buch fehlen nicht die Quellenangaben, ein Abkürzungsverzeichnis und weiterführende Literatur.

Wertung:

Dieses Buch ist eine optische Augenweide; wie immer verwendet der Zabern-Verlag schweres Hochglanzpapier und Fotos von bestechender Qualität. Dies schlägt sich für alle sichtbar im Preis nieder. Inhaltlich bietet das Buch keine leichte Kost. Nichts für zwischendurch. Der Weg zu wirklicher Kenntniss der Baugeschichte der Pyramidenanlagen in Ägypten ist oft durch langatmige Baubeschreibungen erschwert. Doch, wer sich selber als "interessiert" bezeichnet, muß da durch! Die Aufnahme von fast 100 Zeichnungen und rund 80 z. T. ganzseitigen Fotos macht deutlich, daß der Autor weiß, was er von seinen Lesern verlangt. Dieses Buch ist ohne Zweifel ein "Rundumschlag" zur Pyramidenforschung und bietet eine übersichtliche Fülle von Forschungsergebnissen verschiedener Wissenschaftler. Dennoch fordert gerade die Vielzahl der Ergebnisse und Untersuchungen das Gehirn des Lesers. Wer nicht mitdenkt oder querliest, versteht nur wenig.

Der Autor selber ist Wissenschaftler - wenn auch ein praxisorientierter - und kann seine "Herkunft" nicht verleugnen. Dennoch geht er an die verschiedenen Deutungsversuche aus anderen Sparten sachlich, aber mit Humor und einer guten Portion Sarkasmus heran. Bei aller Sorgfalt und Fachkenntniss versucht Stadelmann jedoch nie, seine Meinung als allein seligmachend hinzustellen. 

Fazit: Der aufmerksame Leser kann hier lernen, daß große bauliche Leistungen nicht "vom Himmel fallen" müssen, sondern durchaus einer natürlichen Weiterentwicklung des Menschen und seiner Kultur zugrunde liegen können. 

Kategorie:


Architekturgeschichte vom Feinsten, jedoch nichts für absolute Laien!


Text: Sonja Rosenbusch

Homepage: http://www.antikenforum.de


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